Independance Day: 243 Jahre USA, eine Geschichte erfolgreicher Bürgerbewegungen

Von Herwig Schafberg, Do. 04. Jul 2019

Heute feiern die US-Amerikaner ihren nationalen Unabhängigkeitstag. Er hat seinen historischen Grund in der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776, mit der 13 britische Kolonien an der Ostküste Nordamerikas sich durch ihre Repräsentanten von Großbritannien lossagten; denn die Bürger dieser Kolonien hatten unter britischer Herrschaft zwar weitreichende Selbstverwaltungsrechte gehabt, aber kaum Möglichkeiten zur Mitwirkung an der Steuergesetzgebung und zudem Handelsbeschränkungen zu erleiden. Das wollten viele von ihnen nicht weiter hinnehmen. Der Historiker Herwig Schafberg blickt zurück auf über 240 Jahre erfolgreicher amerikanischer Bürgerbewegungen.

„Gerechte und gleiche Gesetze“ für alle

Der Gedanke, „dass alle Menschen… von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt“ wären, wie es in der Präambel der Unabhängigkeitserklärung heißt, war nicht neu, sondern hatte im Ansatz schon 1620 den „Mayflower Compact“ inspiriert: Als damals die so genannten Pilgerväter – strenggläubige Puritaner – vor religiösen Verfolgungen aus England flüchteten, um in Amerika nach bestimmten biblischen Regeln leben zu können, bekamen sie es während der Schiffspassage auf der Mayflower mit anderen Passagieren zu tun, die sich am Zielort nicht solchen strengen Regeln unterwerfen wollten, und vereinbarten mit diesen die Gründung eines Gemeinwesens, in dem „gerechte und gleiche Gesetze“ für alle – gleich welcher Glaubensrichtung – gelten sollten.

Sie nahmen sich diese Freiheiten, als Menschen auf dem europäischen Kontinent noch fast überall diskriminiert wurden, wenn sie nicht den gleichen Glauben wie ihre Landesherren hatten. Zur gleichen Zeit in der Pilgerväter und andere friedlich miteinander ein neues Gemeinwesen auf amerikanischem Territorium gründeten, schickten im „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“ Fürsten der katholischen Liga ihre Söldner gegen Fürsten der protestantischen Union in den Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648), der sowohl die Bürger in den Städten als auch die erbuntertänigen Bauern auf dem Lande so verheerend in Mitleidenschaft zog, dass am Ende die Bevölkerung Deutschlands um mindestens ein Drittel dezimiert war.

1785 – 1783: Unabhängigkeitskrieg

Während in Europa Könige und Fürsten in ihren Ländern für sich die absolute Herrschaft über ihre Untertanen in Anspruch nahmen, traten – kurz vor der Landung der Mayflower im Nordosten – weiter südlich in Virginia Bürger zur ersten gesetzgebenden Volksversammlung in der Geschichte Nordamerikas zusammen: Es geschah 1619, also vor nunmehr 400 Jahren, in Jamestown, das im Jahre 1607 gegründet worden war. Als 2007 das 400-jährige Jubiläum der Gründung Jamestowns gefeiert wurde, meldeten sich allerdings Nachfahren amerikanischer Ureinwohner sowie Schwarzer aus Afrika mit Protesten zu Wort; denn es waren weiße Siedler aus Europa gewesen, die diese sowie andere Siedlungen gegründet hatten und die Besiedlung Amerikas zu Lasten der indigenen Bevölkerung immer weiter vorangetrieben hatten. Und es waren ebenfalls Weiße gewesen, die im Jahr der oben angegebenen Gesetzgebungsversammlung die ersten Schwarzafrikaner als Sklaven nach Jamestown geholt hatten.

An den bedrückenden Verhältnissen für Indigene sowie Sklaven änderte sich auch nichts durch den Krieg um die Unabhängigkeit der 13 Kolonien, aus denen die Vereinigten Staaten von Amerika gebildet wurden. In diesem Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten, 1775 bis 1783, ging es nicht um einen Freiheitskampf von unterdrückten Ureinwohnern gegen Fremdherrschaft wie später in den Kolonien Afrikas und Asiens, sondern um eine Revolution eingewanderter sowie aufstrebender Bürger und zugleich um einen Bürgerkrieg zwischen meistenteils weißen angloamerikanischen Protestanten (WASP). Während die einen weiterhin loyal zur britischen Krone standen, erhoben die anderen sich gegen die Benachteiligung und Bevormundung durch die ferne Obrigkeit in London, kämpften für unbeschränkte Selbstbestimmung und sie trugen den Sieg davon.

Amerikanischer Bürgerkrieg

Dieser revolutionäre Unabhängigkeitskrieg von Bürgern für ihre Rechte und Freiheiten fand in einer Zeit statt, in der die europäischen Herrscher noch Kabinettskriege führten, an denen die Bürger allenfalls als leidende Objekte beteiligt waren, aber nicht als handelnde Subjekte. Selbst als sich nach der Großen Revolution in Frankreich die Verhältnisse zu verändern begannen, Napoleon Bonaparte französische Volksarmeen siegreich durch Europa führte und 1807 das Söldnerheer des Königs von Preußen in der Schlacht von Jena-Auerstädt vernichtend schlug, ließ die preußische Obrigkeit ihren Untertanen lapidar mitteilen: „Der König hat eine Bataille verloren, Ruhe ist jetzt die erste Bürgerpflicht, als sollte es die Bürger nicht tangieren, wie es nach der Niederlage mit Preußen weitergehen würde. Und diese parierten brav – anders als die amerikanischen Bürger, die rund drei Jahrzehnte zuvor mit der legendären Tea Party von Boston (1773) das Signal zur Erhebung gegeben und auf einem Kongreß in Philadelphia (1775) die Aufstellung eigener Streitkräfte beschlossen hatten.

Hatten die britischen Kolonialherren zum Schutz der indigenen Volksstämme die Landnahme jenseits der Appalachen durch weiße Siedler verboten, fiel diese Begrenzung  nach dem Abzug der Briten fort und die Siedlungsgrenzen wurden nach dem Erwerb von Territorien jenseits des Mississippi noch weiter nach Westen ausgedehnt, bis sie im Laufe des 19. Jahrhunderts an den Küsten des Pazifik ihre natürlichen Grenzen erreichten. Während es im Norden der USA mit andauernder Einwanderung aus Europa genügend Arbeitskräftepotenzial für die sich entwickelnde Industrie gab und Bevölkerungsüberschüsse durch die Erschließung weiterer Gebiete im Westen entsorgt werden konnten, gehörte im Süden der Einsatz von schwarzafrikanischen Sklaven zu den üblichen Produktionsbedingungen auf den dortigen Baumwoll- sowie anderen Plantagen, die im Besitz weißer Bürger waren. Die Sklavenhaltung in den Südstaaten stieß freilich auf die zunehmende Kritik einer radikalen Bürgerbewegung vorwiegend im Norden, dessen prosperierende Wirtschaft nicht auf Sklavenarbeit angewiesen war.

Die Spannungen zwischen den Eliten im agrar-wirtschaftlich dominierten Süden und denen im industriell entwickelten Norden wurden dadurch verschärft, dass die einen für Freihandel zum besseren Absatz der Agrarerzeugnisse in Europa eintraten, die anderen jedoch Zollschranken zum Schutz der Industrieprodukte vor britischer Konkurrenz  haben wollten, und entluden sich nach der Wahl Abraham Lincolns zum Präsidenten, auf welche 1861 elf Südstaaten mit der Abspaltung von den USA reagierten. Lincoln war Befürworter von Schutzzöllen und Gegner der Sklaverei, wollte die Entscheidung darüber allerdings anfänglich den Einzelstaaten überlassen, auf keinen Fall aber die Segregation hinnehmen. Daraufhin kam es zum Bürgerkrieg, der 1865 mit der Niederlage der Südstaaten und insofern mit der Reunion der USA endete.

Herstellung der nationalen Einheit in Deutschland von oben herab

Zur gleichen Zeit, als amerikanische Bürger erbittert für oder gegen die Einheit der USA (und für den eigenen Profit) kämpften, kam die Frage der nationalen Einheit Deutschlands wieder auf die politische Tagesordnung, ohne dass die Bürger in Deutschland darauf entscheidenden Einfluss hatten. Anders als der revolutionäre Befreiungskampf amerikanischer Bürger rund 70 Jahre zuvor, scheiterte der Freiheitskampf des deutschen Bürgertums ebenso kläglich wie das Ringen um die deutsche Einheit 1848/49. Im Laufe der 1848er Revolution hatte sich die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zwar für die „kleindeutsche“ Lösung unter Ausschluss Österreichs entschieden und dem König von Preußen die deutsche Kaiserkrone angeboten, der lehnte dieses Angebot jedoch ab, weil er die Krone nicht von Bürgern, sondern allenfalls von Fürsten in Empfang nehmen wollte.

Der spätere preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck spürte freilich, dass die Frage der Einheit nach einer Lösung drängte, und setzte sich über die Bürger hinweg an die Spitze dieser nationalen Bewegung. Er wirkte in dem von ihm 1866 forcierten Krieg gegen Österreich auf dessen Ausschluss aus dem Deutschen Bund hin, schloss mit den anderen deutschen Fürstentümern ein Bündnis und erreichte während des Krieges gegen Frankreich, dass die verbündeten Fürsten Wilhelm I., den König von Preußen, 1871 zum deutschen Kaiser ausriefen. Dieser Gründungsakt des Deutschen Reiches fand zwar unter Ausschluss der Bürger statt, wurde aber von den allermeisten begrüßt. Auch von denen, die 1848 noch gegen die Fürsten auf die Barrikaden gegangen waren, sangen viele nun begeistert die Kaiserhymne: „Heil dir im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands, heil Kaiser dir…“ Und als dächten deutsche Bürger gar nicht daran, für sich selbst sowie ihre Mitbürger zu kämpfen, sangen sie untertänig weiter: „Wir alle stehen dann mutig für einen Mann, kämpfen und bluten gern für Thron und Reich!“

Hitler versus Roosevelt

Vom Volk war erst rund sechzig Jahre später unter dem Regime der Nationalsozialisten die Rede, allerdings nur an zweiter Stelle, als die Deutschen auf „Führer, Volk und Vaterland“ eingeschworen wurden. Nachdem Adolf Hitler 1933 in Deutschland die Staatsführung übernommen hatte, richteten viele deutsche „Volksgenossen“ ihre Heilserwartungen inbrünstig auf den „Führer“, der diese Erwartungen auch nicht zu enttäuschen schien, als er mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie Kriegsvorbereitungen die Nöte der im Laufe der Weltwirtschaftskrise entstandenen Massenarbeitslosigkeit linderte und zudem mit der Ausplünderung von Juden wie auch – während des Krieges – von anderen Völker den Wohlfahrtsstaat ausbaute, den die meisten Deutschen – von rechts bis links – bis heute nicht missen möchten; denn anders als amerikanische Bürger verlassen sich deutsche Landeskinder gerne auf Fürsorge durch „Vater Staat“.

Etwa zur gleichen Zeit, als in Deutschland der nationalsozialistische Führer Adolf Hitler die Macht ergriffen hatte, war in den USA der Sozialliberale Franklin D. Roosevelt Präsident geworden und gab mit seinem „New Deal“ dem während der wirtschaftlichen Depression in Misskredit geratenen american dream neue Perspektiven. Mit seinen Initiativen sowie Reformen führte er die USA aus der Krise und sorgte für Millionen neue Arbeitsplätze. Vollbeschäftigung wurde allerdings erst im Zweiten Weltkrieg erreicht.

Anders als die Mehrheit der Deutschen, die ihrem „Führer“ zwar nicht begeistert, doch treu ergeben in den Krieg folgten, hielt die Kriegsgegnerschaft der meisten Amerikaner den US-Präsidenten lange davon ab, in den Krieg einzutreten, bis sich die Lage im Dezember 1941 durch den japanischen Angriff auf Pearl Harbour und die darauf folgende Kriegserklärung der Deutschen änderte. Einerseits traten die USA nun an der Seite Großbritanniens sowie der Sowjetunion (UdSSR) in den Krieg gegen Deutschland sowie Japan ein und trugen mitentscheidend dazu bei, dass Europa wie auch Ostasien von der deutschen beziehungsweise japanischen Vorherrschaft befreit wurde; andererseits hatte Roosevelt aber mit amerikanischen Militärinterventionen in Mittelamerika Schluss gemacht, scheute sich allerdings nicht, diktatorische Regime in jener Region zu unterstützen, wenn das im Interesse der USA zu liegen schien, und begegnete Einwänden gegen seine Unterstützung des nicaraguanischen Diktators Somoza mit den Worten: „Ich weiß, dass er ein Bastard ist. Aber er ist unser Bastard!“

Der Hass der Linken auf die „imperialistische USA“

Unterstützung für faschistische oder ähnliche Regime in aller Welt gehörte später zur amerikanischen Strategie im Kalten Krieg gegen den ehemaligen Weltkriegsverbündeten UdSSR. Diese Strategie stieß nicht bloß auf Kritik von Linken in den USA, die während der McCarthy-Ära in den fünfziger Jahren manchen Verfolgungen ausgesetzt waren, sondern auch in Deutschland und anderen Ländern. Die Deutschen waren zwar nicht in der Lage und zum größten Teil auch gar nicht bereit gewesen, sich vom faschistischen Hitler-Regime zu befreien; doch je länger die Befreiung der Deutschen vom Faschismus zurück lag, desto stärker wuchs links der antifaschistische Widerstand. Die Staatsführung der DDR, in der „Antifaschismus“ zur Staatsräson erklärt worden war, ließ 1961 sogar mitten durch Berlin einen „antifaschistischen Schutzwall“ errichten, um die eigenen Bürger davon abzuhalten, in die Arme der „Faschisten“ zu laufen, die angeblich im Westen ihr Unwesen trieben. Dass der Kapitalismus zum Faschismus führen müsste,  glaubten nicht bloß SED-Funktionäre in der DDR, sondern auch viele Linke in Westdeutschland. Sie sahen in der amerikanischen Regierungszentrale die Hauptagentur für Kapitalismus, Faschismus sowie Imperialismus und gaben für ihre Proteste unter anderem die Parole aus: „USA – SA – SS“.

Linke Aktivisten wirkten vor allem in den Studentenbewegungen, die während der 1960er Jahre in fast allen westlichen Ländern aktiv waren, ihre Avantgarde jedoch nicht etwa in Berlin (West), sondern im kalifornischen Berkeley hatten. Mit ihren Protesten gegen die staatliche Politik, die gesellschaftlichen Verhältnisse sowie sittlichen Normen gewannen sie über Studentenkreise hinaus Sympathisanten in großen Teilen der Jugend. Manche Jugendlichen wandten sich von der bürgerlichen Gesellschaft sowie deren Zwängen ab und wollten ihren Traum von einem Leben voller „Love and peace“ verwirklichen, andere dagegen die Gesellschaft revolutionär verändern und wandten sich insbesondere gegen den Imperialismus, der im Vietnam-Krieg besonders heftig zu wüten schien.

Die Friedensbewegung in den USA und in Deutschland

Dieser Krieg stieß nicht bloß auf Proteste linker Aktivisten sowie einiger Humanisten, die an manch einem Tag vorm Weißen Haus in Washington Präsident Lyndon B. Johnson zuriefen: „LBJ, how many Kids have you killed today?“ Auch in der breiten Öffentlichkeit wuchs die Sorge um die Rekruten, die zum Kriegseinsatz nach Vietnam geschickt wurden, und mit dieser Sorge das Verlangen: „Bring our boys home!“ Es waren am Ende nicht so sehr die Erfolge von Widerstandskämpfern im vietnamesischen Dschungel und schon gar nicht die Proteste von Anti-Imperialisten auf den Straßen westlicher Städte, sondern es war die wachsende Friedensbewegung besorgter amerikanischer Bürger, unter deren Druck die militärische Intervention der USA in Vietnam und dessen Nachbarländer beendet wurde.

Hatte die Friedensbewegung amerikanischer Bürger bewirkt, dass Lyndon B. Johnson 1968 auf eine weitere Kandidatur für das Präsidentenamt verzichtete und sein Nachfolger Richard M. Nixon Anfang der siebziger Jahre die US-Truppen aus den Kriegsgebieten in Südostasien zurückholte, mobilisierte die deutsche Friedensbewegung zwar ebenfalls Hunderttausende, als zu Beginn der achtziger Jahre die Frage einer Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in der alten Bundesrepublik auf die parlamentarische Tagesordnung kam, und trug dazu bei, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt jeden Rückhalt in seiner eigenen Partei (SPD) verlor, konnte jedoch nicht verhindern, dass unter der Führung von dessen Nachfolger Helmut Kohl (CDU) die Stationierung beschlossen wurde.

Erster Golf-Krieg

Zu Beginn des Ersten Irak-Krieges 1991 kam es auf deutschen Straßen erneut zu größeren Protesten, die in der Forderung gipfelten: „Kein Blut für Öl!“ Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte schon rund zehn Jahre den Iran in einen acht Jahre dauernden Krieg mit einer Millionen Toten verwickelt, weil er scharf auf dessen Ölfelder gewesen war, und nach dem Scheitern seiner Expansion im Iran 1990 das ölreiche Kuweit besetzt; aber dass kein Blut für Öl fließen sollte, fiel den friedensbewegten Deutschen erst ein, als US-Truppen mit ihren arabischen Verbündeten zur Befreiung Kuweits ansetzten.

Dass dieser Irak-Krieg bei amerikanischen Bürgern kaum auf Widerstand stieß, lag vermutlich daran, dass er von kurzer Dauer war, vergleichsweise wenig Humanopfer kostete und die USA inzwischen ausschließlich Berufssoldaten hatten, nachdem die Wehrpflicht abgeschafft worden war. Diese hatte während des Vietnam-Krieges dazu geführt, dass viele junge Männer den Kriegsdienst verweigerten, wenn sie einberufen werden sollten. Zu den Bekanntesten gehörte der Boxweltmeister Muhammad Ali, der nicht einsehen wollte, warum er als Schwarzer für Weiße gegen Vietnamesen kämpfen sollte, die ihm nichts getan hätten.

Civil Right Acts – Gleichberechtigung der Schwarzen

Die Sklaverei war zwar schon während des Bürgerkriegs 1863 unionsweit verboten, die Gleichberechtigung von Schwarzen mit Weißen jedoch nach dem Krieg in den Südstaaten durch gesetzliche Rassentrennung an Schulen sowie Universitäten, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Kinos, Restaurants sowie anderen Einrichtungen unterminiert worden. Dagegen wandte sich vor allem seit dem Busboykott 1955 in Montgomery eine wachsende Bürgerrechtsbewegung unter der Führung von Martin Luther King, in der neben Schwarzen auch liberale Weiße mitwirkten.

„I have a dream“ war der Refrain jener berühmten Rede, die er zur Vorstellung seiner Vision von einer Gesellschaft ohne rassistische Diskriminierungen am Lincoln Memorial hielt, an dem sich Schwarze und Weiße zu Hunderttausenden nach dem Marsch auf Washington 1963 versammelt hatten. Mit der Bürgerrechtsbewegung und insbesondere mit dem Marsch auf Washington wurde Präsident John F. Kennedy unter Druck gesetzt, Gesetzesinitiativen zur  bundesweiten Beseitigung von Rassentrennung in die Wege zu leiten. Die Durchsetzung erfolgte 1964 mit den „Civil Right Acts“, die von Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson am 125. Jahrestag der Sklavenrevolte von 1839 auf dem Schiff Amistad in Kraft gesetzt wurden.

Deutschlands freiheitlich-demokratische Ordnung: kein Resultat einer Bürgerbewegung, sondern einer Anordnung der Weltkriegssieger

Während es die Amerikaner mit ihren Bürgerrechtsbewegungen vom „Mayflower Compact“ (1620) bis zur revolutionären Unabhängigkeitserklärung (1776) und über das Verbot der Sklaverei (1863) bis zu den „Civil Right Acts“ (1964) weit gebracht hatten, war in Deutschland das im soziologischen Sinn begriffene Bürgertum mit seiner 1848-Revolution gescheitert und an der von Arbeitern sowie Soldaten durchgeführten, aber unvollendet gebliebenen Novemberrevolution (1918) kaum beteiligt. Makaber ist, dass die erste (Klein-)Bürgerbewegung mit wahrlich durchschlagendem Erfolg (!) die nationalsozialistische Bewegung war, deren Führer nach der Machtübernahme 1933 bürgerliche Rechte sowie Freiheiten beseitigte und seinen „Volksgenossen“ einreden ließ: „Du bist nichts, Dein Volk ist alles!“

Selbst nachdem sie im Zweiten Weltkrieg besiegt sowie zugleich befreit waren von der Unmündigkeit, hielten die Deutschen noch einige Zeit mehrheitlich den Nationalsozialismus für eine gute Sache, die nur schlecht umgesetzt worden wäre, und stellten sich nicht etwa als Teilnehmer einer Bürgerrechtsbewegung, sondern lediglich auf Anordnung der westlichen Weltkriegssieger auf den Boden einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik. Eine radikal kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus fand in Deutschland erst Ende der 1960er Jahre im Rahmen der Studentenbewegung statt, die allerdings nach links über die Stränge schlug.

Studenten- und Frauenbewegung

Wie weiter oben angedeutet, war die deutsche Studentenbewegung von der amerikanischen inspiriert und erfasste diesseits wie jenseits des Atlantik breite Kreise der Gesellschaft. Im Zusammenhang damit erhielt auch die Frauenbewegung weiteren Anschub. Bevor es in Deutschland so weit war, dass sich die ersten Frauengruppen konstituierten, gab es in den USA längst ein Netzwerk für solche Organisationen und Initiativen, zu denen neuerdings auch die me-too-Bewegung mit ihrer weltweiten Verbreitung in den sozialen Netzwerken gehört.

In den Vereinigten Staaten hatten Frauen schon relativ früh erreicht, dass Gesetze zum Schutz von Frauen vor sexuellen Übergriffen in Kraft traten. Sie wirkten allerdings nicht immer im Sinne der Gesetzgebung, wie sich beispielsweise im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen Präsident Bill Clinton in den 1990er Jahren zeigte: Am Ende kam Clinton unbeschadet davon, doch seine Praktikantin Monica Lewinsky war vor aller Welt als ganz spezielles Schleckermäulchen bloßgestellt und Millionen amerikanischer Mütter wurden von ihren Kindern mit der Frage in Verlegenheit gebracht: „Mum, what is oral love?“

Beseitigung der rechtlichen Diskriminierung von Homosexuellen

In der letzten Woche jährte sich zum 50. Mal der Christopher Street-Day (CSD), an den im Laufe dieser Wochen wie in jedem Jahr weltweit mit Demonstrationen erinnert wird. Da es in den USA ebenso wie in Europa damals noch als „anstößig“ galt, wenn Männer zärtlich zueinander waren, kam es immer wieder zu Polizei-Razzien und Festnahmen in Lokalen, in denen Homosexuelle verkehrten. Aber in der Nacht zum 28. Juni 1969 wollten Gäste im „Stonewall“ an der Christopher Street von New York sich das nicht länger gefallen lassen und lösten die „Stonewall riots“ aus, die in der Christopher Street zu heftigen Scharmützeln  zwischen Homosexuellen und der Polizei führten.

Die „Gay liberation“ erhielt dadurch gewaltig Auftrieb und erreichte, dass die rechtliche Diskriminierung von Homosexuellen beseitigt wurde. Das fand allerdings keinen Beifall von christlichen Fundamentalisten, von denen manche sich nicht einmal scheuten, ihre Ablehnung am Rande von Beerdigungen ermordeter Homosexueller zu demonstrieren, so dass Gegendemonstranten – als Schutzengel verkleidet – einen Ring um die Trauergemeinde bildeten und den Trauernden so den Anblick der schwulenfeindlichen Protestierer ersparten. Um Schwulen- wie auch Rassenfeindlichkeit wirksamer bekämpfen zu können, wurde ein Gesetz zur Ahndung diesbezüglicher „Hassverbrechen“ verabschiedet, das Barack Obama bald nach seinem Amtsantritt als Präsident der USA unterzeichnete und damit in Kraft setzte.

Die antiamerikanischen Ressentiments der Linken

Dass Obama nicht mehr im Amt ist und an dessen Stelle nun Donald Trump im Weißen Haus sitzt, dürfte vielen Linken in Deutschland klammheimlich Freude bereiten; denn solange sie es zur Abschreckung mit US-Präsidenten vom Schlage eines Donald Trump, George W. Bush oder Ronald Reagan zu tun haben, lassen sich Zweifel an ihrem Feindbild leichter beseitigen als zur Amtszeit von Männern wie Barack Obama, Bill Clinton oder John F. Kennedy, die zwar ebenfalls den US-Imperialismus repräsentierten, andererseits jedoch den Kampf für Bürgerrechte unterstützten und für den Schutz von Minderheiten sowie deren Emanzipation sorgten.

Dass die amerikanischen Bürgerrechts- sowie Emanzipationsbewegungen so erfolgreich gewesen sind und auch vergleichbare Bewegungen in Deutschland maßgebend beeinflussten, scheinen viele Linke, aber auch manche Liberale in Deutschland weniger im Blickfeld zu haben als das, was evangelikale Fundamentalisten im Bibelgürtel oder „Hillbillies“ in anderen ländlichen Gebieten der USA bewegt und die antiamerikanischen Ressentiments Linker zu bestätigen scheint.

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