Neues Polizeigesetz: Onlinedurchsuchung von Rechnern ohne Internet

Laut dem in Mecklenburg-Vorpommern verabschiedeten Polizei-Gesetz dürfen Ermittler künftig heimlich Wohnungen betreten, um Trojaner auf gut gesicherten Rechnern zu installieren.

Trotz heftiger Kritik im Vorfeld hat der Landtag in Schwerin am 11. März das Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG) mit den Stimmen der Regierungskoalition aus SPD und CDU sowie der oppositionellen AfD beschlossen. Mit den neuen Regelungen erhalten die Sicherheitsbehörden deutlich mehr Befugnisse, darunter die heimliche Online-Durchsuchung mit einem Staatstrojaner. Anzeige

Um die Zielgeräte zu identifizieren oder den Trojaner zu installieren, dürfen Sicherheitsbehörden auch heimlich in die Wohnung eines Verdächtigen eindringen, geht aus den Erläuterungen zu dem Gesetz hervor. Demnach sei beispielsweise bei “nicht mit dem Internet verbundenen Systemen (sogenannte Stand-Alone-Systeme) oder Systemen, die einen unüberwindbaren Zugriffsschutz gegen Angriffe von außerhalb aufwarten, denkbar.” Zwar gilt sowohl für das Betreten der Wohnung als auch für die Online-Durchsuchung, dass Richter dem zustimmen müssen. Diese prüfen die Anfragen jedoch meist nur sehr oberflächlich.

Neben der Online-Durchsuchung wird der Polizei auch eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) erlaubt. Mit dieser soll verschlüsselte Kommunikation, etwa von E-Mails oder Messengern wie Whatsapp oder Signal, nach der Entschlüsselung beziehungsweise vor der Verschlüsselung abgefangen werden. Die Online-Durchsuchung hingegen erlaubt den vollen Zugriff auf die auf dem Gerät gespeicherten Daten. Technisch unterscheiden sich die beiden Überwachungsmethoden kaum. Bei beiden kommt ein Staatstrojaner zum Einsatz, über den Zugriff auf die Geräte der Betroffenen erlangt werden soll. Dieser kann über Social-Engineering, Sicherheitslücken oder durch direkten Zugriff auf die Geräte installiert werden.

Neben dem Staatstrojaner ermöglicht das Gesetz auch eine heimliche Überwachung von Wohnräumen, den Einsatz von Drohnen, “um vermisste oder sonst polizeilich relevante Personen, Sachen oder Tiere” zu suchen oder zu observieren. Auch für die Ortung von Mobilfunkgeräten oder den Zugriff auf WLAN-Netzwerke sowie zur Koordinierung von Polizeieinsätzen bei Veranstaltungen dürften die Drohnen eingesetzt werden, heißt es in den Erläuterungen zum Gesetz. Zudem wird die Bestandsdatenauskunft von Telekommunikationsdiensten auf Telemediendienste erweitert. Im Juni 2019 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der E-Mail-Dienst Gmail kein Telekommunikationsdienst sei und daher auch nicht zu Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen verpflichtet werden könne.

Innenminister Lorenz Caffier (CDU), der in der Debatte nicht mehr das Wort ergriff, begrüßte die Gesetzesänderung: “Es ist die Antwort auf das digitale Zeitalter und bringt mehr Sicherheit für Mecklenburg-Vorpommern.” Auch die CDU-Abgeordnete Ann Christin von Allwörden betonte die Notwendigkeit der Gesetzesänderung. Bei den Beratungen seien Freiheitsrechte der Bürger und Sicherheitsinteressen gegeneinander abgewogen worden, die Kritik am neuen Gesetz somit unberechtigt. “Horrorszenarien sind kompletter Stuss”, erklärte von Allwörden. Sie zeigte sich gewiss, dass die Polizei die neuen Ermittlungsmöglichkeiten mit Bedacht und regelkonform anwenden wird. “Die Gefahr, dass die Polizei Daten missbraucht, geht gegen Null”, sagte die CDU-Politikerin.

Polizisten greifen auf Daten auch privat zu

Derzeit wird jedoch gegen einen Polizisten in Greifswald ermittelt, der ohne dienstlichen Grund personenbezogene Daten abgefragt und diese anschließend in einer Facebook-Gruppe veröffentlicht haben soll. Zuvor hatten Polizisten dienstlich erhobene Handynummern genutzt, um sich Minderjährigen sexuell aufzudrängen. Der Abgeordnete der Linkspartei, Peter Ritter, verwies auf diese und weitere Fälle aus Mecklenburg-Vorpommern, bei dem Beamte Daten für private Zwecke missbraucht hätten. Zudem rechtfertige die insgesamt rückläufige Kriminalitätsentwicklung im Land nicht die massive Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse. “Das Gesetz ist an vielen Stellen ein zu weit gehender Eingriff in Grundrechte”, sagte Ritter und begründete unter anderem damit die Ablehnung durch seine Fraktion. Er sprach von einem Paradigmenwechsel, “dessen Flurschaden bei den internetaffinen Generationen noch gar nicht absehbar ist”.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bedauerte, dass die Koalitionsfraktionen die Kritik aus den Gesetzesanhörungen im Innenausschuss weitgehend ignoriert hätten. Mit dem neuen Gesetz werde der Berufsgeheimnisschutz für Journalisten nicht ausreichend garantiert. “Es ist völlig unverständlich, warum nun unterschiedliche Regelungen getroffen werden, die zum Beispiel Geistliche, Rechtsanwälte und Landtagsabgeordnete nach wie vor als Berufsgeheimnisträger einstufen, Journalisten aber nicht”, heißt es in einer Erklärung. Die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses und der uneingeschränkte Informantenschutz seien unabdingbare Voraussetzungen für eine freie Presse.

In den Expertenanhörungen hatten neben dem DJV auch Juristen- und Sozialverbände massive Vorbehalte gegen die Gesetzesänderungen vorgebracht. Auch die SPD-Jugendorganisation Jusos wandte sich gegen die Verwendung von Staatstrojanern und die Überwachung von Kontaktpersonen. “Ich entschuldige mich im Namen der Jusos MV für das Abstimmungsverhalten der SPD Landtagsfraktion bei allen, die in den letzten Monaten mit uns für eine freie Gesellschaft ohne ausufernde polizeiliche Überwachungsbefugnisse und den Schutz von Bürger*innenrechten gekämpft haben”, schrieb Jusos-Landeschef Johannes Barsch in einer Mitteilung. Vor dem Landtag hatte das landesweite Bündnis SOGenannte Sicherheit gegen das Gesetz protestiert.

übernommen aus: golem.de

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